Das Getränk der Deutschen
Oder kommt Bier ursprünglich gar nicht aus Deutschland? Eine lohnenswerte kulturhistorische Sicht.
Als ich hörte, dass der nächste Artikel im Regional-Journal das Thema „Bier“ abhandeln sollte, habe ich mich zunächst gefragt, ob ich überhaupt der richtige Ansprechpartner bin, weil ich mit zwei Flaschen Bier ein ganzes Jahr lang auskomme.
Bei näherer Betrachtung ist Bier aber ein sehr interessantes Getränk, mit dem zu beschäftigen durchaus interessant, ja lohnenswert ist. Nähern wir uns also dem Bier zunächst kulturhistorisch:
Entdeckung und Herkunft
Bier ist nichts anderes als ein Produkt der Gärung, wenn Hefepilze Kohlenhydrate zersetzen und zu Alkohol umwandeln. Diese Erkenntnis dürfte zufällig und wahrscheinlich schon sehr früh erfolgt sein, am wahrscheinlichsten dort, wo Menschen Getreide zuerst aus Wildgräsern kultiviert haben und das Klima günstig war. Es gibt Hinweise darauf, dass im Zweistromland im vorderen Orient im Gebiet der Sumerer, Babylonier und anderer Völker die Getreidekultur und damit die Grundlage für die Bierherstellung ihren Ursprung nahm. Vielleicht ist irgendwann einmal ein nicht ganz ausgebackener Brotlaib im Kontakt mit Wasser durchgegoren und die antiken Menschen erkundeten die Wirkung des entstandenen Alkohols.
Später muss es dann zur planmäßigen Herstellung solcher Getränke gekommen sein. Forscher der US-Universität Yale gruben bei Kairo ein mutmaßliches Brauereigebäude aus, das etwa 4500 Jahre alt ist. Damit ist auch der historische Irrtum widerlegt, dass die Germanen das Bier erfunden hätten. Diese Geschichte hat der römische Geschichtsschreiber Tacitus in die Welt gesetzt, der berichtete, dass die Germanen ein Getränk hätten, das ähnlich wie Wein sei, aber aus Getreide und nicht aus Trauben hergestellt werde; nach der Göttin der Feldfrüchte „Ceres“ nannte er es „cer(e)visia“.
Bier im Mittelalter
Mit dem Untergang des römischen Weltreiches geriet vieles in Unordnung, und so verliert sich auch die Spur des Bieres hier, bis es in den mittelalterlichen Klöstern wieder auftaucht. Es war in den kirchlichen Fastengeboten nicht erfasst. Weil dort nur Wein genannt war, durfte Bier folglich ohne Ahndung von den Mönchen konsumiert werden. Für die übrige Bevölkerung war es ein guter Weg, an ein relativ reines und unverdorbenes Getränk (die Würze musste gekocht werden und war damit keimarm) zu gelangen; wir dürfen schließlich nicht vergessen, dass bis ins 19. Jahrhundert hinein die hygienischen Zustände in Stadt und Land für heutige Begriffe katastrophal waren: viele Bäche und Flüsse waren durch Abfälle, Fäkalien und Gerbereiabwässer verschmutzt.
Das heutige Bier
Bier vor 500 Jahren war allerdings nicht identisch mit dem Bier, das heute getrunken wird, denn es war noch nicht mit Hopfen, sondern mit „Grut“ gewürzt. Darunter muss man sich eine Kräutermischung vorstellen, die von Ort zu Ort variierte und davon abhängig war, was die Menschen in ihrer Umgebung vorfanden. Meistens aber war der Extrakt des Gagelstrauchs enthalten und verschiedene andere Pflanzen mit Bitterstoffen und konservierenden ätherischen Ölen. Gerade in unserer Heimat ist ja der Name Grüter in verschiedenen Schreibweisen häufig; er deutet darauf hin, wie wichtig die Zubereitung des Gruts für die Menschen damals war.
Nach und nach verdrängte der Hopfen die Grutmischung, da ein gehopftes Bier länger haltbar war und über weitere Strecken transportiert werden konnte. In der Folge entwickelte sich nördlich der Alpen eine bunte Landschaft aus Brauereien, von denen auch heute noch viele auf Klosterbrauereien zurückzuführen sind.
Im Trend
Nicht nur auf dem Münchner Oktoberfest ist Bier nach wie vor ein wahres Kultgetränk, wenn auch der Gesamtkonsum in Deutschland insgesamt leicht rückläufig ist. Festzustellen ist eine wieder stärker ansteigende Zahl von kleinen Brauereien mit lokalen Spezialitäten, auch „Craft Beer“ genannt, die sich ihre Position im Markt der großen Markenbiere erobern können.